Tamedia gibt sich eine zukunftsgerichtete Unternehmensstruktur und einen neuen Namen: Unter dem Dach der ‘TX Group’ entsteht auf den 1. Januar 2020 eine dezentrale Organisation mit vier weitgehend eigenständigen Unternehmen. Es ist ein Abschied auf Raten vom publizistischen Geschäft, hin zum Geschäft mit Daten.

Wie Tamedia in einer Pressemitteilung schreibt, wird die holdingartige Organisation der künftigen TX Group in vier weitgehend eigenständige Unternehmen mit je eigener Geschäftsleitung und eigenem Verwaltungsrat aufgeteilt. Das Unternehmen TX Markets wird alle Rubriken-Plattformen und Marktplätze umfassen und wird zunächst von Christoph Brand geleitet. Spätestens ab dem 1. Mai 2020 soll Olivier Rihs die Führung übernehmen. Goldbach, unter der Verantwortung von Michi Frank, wird die Werbevermarktung in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich übernehmen. 20 Minuten beinhaltet die Pendlermedien in der Schweiz und im Ausland und wird von Marcel Kohler geleitet. Unter dem Namen Tamedia werden die bezahlten Tages- und Wochenzeitungen und Zeitschriften in die Zukunft geführt; das Unternehmen wird von Marco Boselli (Publizistik) und Andreas Schaffner (Verlagsdienstleistungen) gemeinsam geführt.

Wird das Medien-Geschäft längerfristig verkauft?

Mit der neuen dezentralen Organisation schaffe man gute Voraussetzungen für eine weiterhin dynamische Entwicklung der vielfältigen Aktivitäten, wie Pietro Supino, Verleger und Verwaltungsratspräsident der Tamedia, erklärt. Marktnähe und die Pflege der unterschiedlichen Métiers mit ihren eigenen Kulturen seien der Ausgangspunkt dafür. Die Publizistik und der Journalismus blieben über ihre wirtschaftliche Bedeutung hinaus ein zentrales Anliegen der Gruppe, für das er sich als Verleger weiterhin persönlich einsetzen werde.

Die Realität könnte freilich anders aussehen. Der Berufsverband Impressum zeigt sich besorgt, wie «persoenlich.com» berichtet. Man mutmasse dort sogar, dass Tamedia mit der Umstrukturierung die Voraussetzungen schaffe, um die Mediensparte verkaufen zu können. «Das wäre aber ein Albtraum, denn wir uns nicht zu träumen trauen», zitiert persoenlich.com den Impressum-Zentralsekretär Michael Burkard. Auch Christian Capacoel, Mediensprecher der Gewerkschaft Syndicom, berichtet gemäss persoenlich.com, dass die Nervosität bei den Arbeitnehmenden hinsichtlich des Drucks auf die Stellen und die Arbeitsbedingungen zunehme.

TX Group will zum digitalen Hub für die Schweiz werden

Tamedia gibt sich «zukunftsgerichtet»: «Die TX Group bildet ein Netzwerk von Medien und Plattformen, die Information, Orientierung, Unterhaltung sowie Services anbieten und täglich über 80% der Schweizer Bevölkerung erreichen». TX gehe auf den jährlichen «Technology Exchange» zurück. An diesem 2015 erstmals durchgeführten internen Anlass hätten im vergangenen Juni 600 Mitarbeitende aus den Bereichen Technologie, Marketing und Produkt teilgenommen. So sei die Marke TX entstanden. «TX steht für interdisziplinäre Zusammenarbeit, Vertrauen in die Möglichkeiten der neuen Technologien und Innovation», wie Tamedia erklärt. Mit dem Claim «Uniting platforms» positioniere sich TX als starkes und zugängliches Netzwerk von Plattformen, das veränderungsbereit sei und Standards setze.

Der Verwaltungsrat wird neu aufgestellt

Vorbehaltlich der Beschlussfassung durch die Generalversammlung wird sich der Verwaltungsrat der TX Group wie folgt zusammensetzen: Pietro Supino (Präsident), Martin Kall (Vizepräsident und Lead Director), Pascale Bruderer, Pierre Lamunière, Sverre Munck, Konstantin Richter, Andreas Schulthess und Christoph Tonini.

Der neue Name der Gruppe sowie die damit verbundene Statutenänderung stehen unter Vorbehalt der Beschlussfassung der ausserordentlichen Generalversammlung von Tamedia, die am Freitag, 20. Dezember 2019, um 9:00 Uhr am Standort Zürich (Werdstrasse 21, 8004 Zürich) stattfindet.

Die Börse hat den Schritt zur TX Group bisher nicht honoriert

persoenlich.com hat Daniel Bürki, Senior Equity Analyst bei der Zürcher Kantonalbank und Spezialist für Medienunternehmen, die Frage gestellt, ob die neue Holding TX Group positiv für den Aktienkurs der Gruppe sei. Für Bürki zeigen die Neubenennung und die Änderungen in der Struktur, dass sich Tamedia bewusst sei, dass das Zeitungsgeschäft weiter an Bedeutung verlieren werde. Dieses sei ja weltweit auf dem Rückzug. Ob die neue Holdingstruktur der richtige Schritt sei, werde sich weisen. Derzeit zweifle die ZKB daran, denn es gebe künftig keinen CEO mehr, der den Konzern eng führe, sondern vier verschiedene Geschäftsführer für die einzelnen, voneinander unabhängigen Unternehmen der TX Group. Christoph Tonini gebe seine Funktion als CEO 2020 ab; er habe einen sehr guten Job gemacht. Pietro Supino werde die TX Group vermutlich nur lose führen.

Auch die Börse habe diesen Schritt bisher nicht honoriert. «Sie glaubt nicht, dass diese neue Struktur allein hilft, mehr Wert aus dem Konzern herauszuholen. Entscheidend dafür wäre die Bereitschaft der Eigentümerfamilie, den Konzern aufzuspalten oder Teile an die Börse zu bringen oder zu verkaufen, so etwa die attraktivsten Assets Jobcloud oder Homegate. Ein solcher Schritt würde der Aktie zu mehr Wert verhelfen. Der Free Float von Tamedia liegt unter 20%.» Die Tamedia-Aktie hat 2019 ein schlechtes Jahr: Sie ist seit Anfang 2019 um 11% gefallen, während der SMI um 24% zugelegt hat, so Bürki.