Am 15. Oktober 2019 starten die Verlage von NZZ, Ringier und Tamedia mit der Login-Allianz. «persoenlich.com» hat mit Vertretern der Verlage gesprochen und sie zu den Einzelheiten des Projektes «Diamond» befragt.

Die Login-Allianz heisst mit Arbeitstitel Projekt ‘Diamond’. Ziel dieses Projektes das Mitte Oktober startet ist, dass jeder der Verlage in einem ersten Schritt ein «freiwilliges Login» installiert, womit sich seine Leser registrieren müssen, um die diversen Produkte konsumieren bzw. lesen zu können. Dazu werde im Hintergrund jetzt in allen beteiligten Verlagen auf Hochtouren gearbeitet.

Ringier verbindet mit dem freiwilligen Login eine Kommunikationskampagne

Wie Patrick Rademacher von Ringier gegenüber «persoenlich.com» erklärt, planten sie, auf ungefähr 20 Marken der Deutschschweiz ein Overlay auszuspielen, mit dem sie die Nutzer bitten würden, sich einzuloggen. Die Anmeldung sei freiwillig. Nutzer, die das nicht wollten, können das Overlay einfach wegklicken. Ringier verbinde die Registrationsaufforderung zudem mit einer Kommunikationskampagne, in der sie erklärten, warum es dieses Login brauche. Auf dieser freiwilligen Basis hofften sie, mit der Botschaft einen guten Teil der Nutzer zu erreichen.

Personalisierung ist für Ringier – und die Leser? – ein Mehrwert

Im Zentrum der Kampagne steht für Ringier ein Mehrwert durch Personalisierung. Das könne die Personalisierung der journalistischen Angebote sein und auch die Personalisierung von Werbung, sagt Rademacher.

Eine Paywall ist eine Frage des Geschäftsmodells

Einen Schritt Richtung Paywall will Rademacher nicht bestätigen: Eine Paywall sei Frage des Geschäftsmodells. Damit habe die Allianz nichts zu tun, denn der «Blick» oder «20 Minuten» verfolgten ein anderes Geschäftsmodell als etwa die «Neue Zürcher Zeitung». Die Allianz wolle ein Bewusstsein dafür schaffen, warum es ein Login brauche.

Aktuell gebe es von ihrer Seite aus auch keine Pläne, die Abonnementsverwaltung zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, sagt Rademacher. Für die Nutzer könne das aber durchaus ein interessanter Ansatz sein.

Zentraler Punkt für das Gelingen ist, dass alle Medien mitmachen

Wie Marcel Kohler von Tamedia erklärt, wünschten sie sich natürlich, dass möglichst viele Medienunternehmen dabei seien. Laut ihren Berechnungen machten die an der Allianz beteiligten Medienunternehmen zusammen 90% des Schweizer News Traffics aus. Darüber seien sie froh. Eingeladen seien natürlich alle.

Sobald die Registrationspflicht kommt, gilt sie für alle Angebote der Allianz

Auf die Registrationspflicht für Blick TV und Bewegtbilder ab Herbst 2020 angesprochen erklärt Rademacher, dass zuerst die freiwillige Phase gelte, auch für Blick TV. Sobald die Registrationspflicht aber komme, gelte diese für alle Angebote der Allianz. Zu definieren sei noch, wie konkret die Registrationspflicht aussehe, also beispielsweise ab dem wievielten Klick.

Und was ist mit FM1 Today, TVO und den Online-TV-Plattformen wie TeleZüri oder TeleBärn?

Andreas Bossecker von der NZZ erklärt, dass der Fokus im ersten Schritt auf textlichen Angeboten liege. Was in späteren Schritten möglich sei, werde die Zukunft zeigen. Sie seien nun zusammen in dieser Zusammensetzung Ringier, Tamedia, CH Media, NZZ und SRG gestartet. Und sie seien in Gesprächen mit den beiden Schweizer Verlegerverbänden VSM und Médias Suisses, denn wie Marcel Kohler gesagt habe, sie ihre Allianz offen für alle interessierten Medien.

Der Nutzen der gewonnen Daten würde einen Traffic-Rückgang mehr als kompensieren

Auf einen möglichen Traffic-Einbruch angesprochen meint Kohler, dass sie nicht damit rechnen würden. Sollte das trotzdem passieren, glaubten sie, dass der Nutzen der durch das Login gewonnen Daten diesen Rückgang mehr als kompensieren werde. Für «20 Minuten» gebe es noch eine andere Erkenntnis aus den Erfahrungen mit den Adblockern, die Kohler zuversichtlich stimmt: Etwa 20% der User hätten einen Adblocker installiert gehabt. Nach der Aufforderung, diesen zu deaktivieren, hätten das sehr viele getan.

Man blicke aber auch auf andere Länder, in denen es bereits ähnliche Allianzen gebe. Beispielsweise in Deutschland, Frankreich und auch in Portugal sei das der Fall, wobei vor allem Portugal schon sehr weit sei. Dort gebe es bei deren Allianz-Teilnehmern eine Login-Pflicht. Nach dem zweiten Artikel könne niemand weiterlesen, ohne sich vorher registriert zu haben. Interessant sei, dass der Rückgang auf Ebene der Page Views sich dort ihrer Information zufolge im einstelligen Prozentbereich bewege.

Verlage müssen die technischen Installationen selbst aufbauen

Sollten kleine Plattformen dabei sein wollen, müssten sie die technische Installation, das sogenannte Onboarding, selbst aufbauen. Die Allianz verlange aber weder Geld noch einen Mitgliederbeitrag, sondern versuche, die Teilnahme möglichst einfach zu machen.

Ein einheitliches Medien-Login soll in einem weiteren Schritt folgen

In einem nächsten Schritt ist dann eine einheitliche Infrastruktur erforderlich: Ein übergreifender Single Sign On. Für die Nutzer sei das sicherlich attraktiv, im Sinne eines einheitlichen Medien-Logins. Doch wie genau das aussehen werde, dazu gebe es noch keinen definitiven Entscheid.

Jedes Medium wird seine eigenen Daten verbessern können

Für die Personalisierung der Inhalte und der Werbung verwende jedes Unternehmen seine eigene Software, wie Rademacher weiter erklärt. Alle Startpartner der Allianz würden bereits über eine solche Software verfügen.

Auch einen gemeinsamen Datentopf gebe es nicht, betont Rademacher. Die Diamond-Allianz sei also auch keine Tracking-Allianz, wie das in Social Media bereits behauptet worden sei, denn es gebe kein übergreifendes Tracking.

Jedes Medium werde so seine eigenen Daten verbessern können, wirft Bossecker ein. Somit werde auch Tamedia die eigenen Daten verbessern, und damit diejenigen von Goldbach für Targeted-TV-Ads, bestätigt Kohler. Sie hätten jedoch keinen Zugriff auf die Daten der NZZ oder diejenigen von Ringier.

Cookie-Thematik sei für den Werbemarkt ein grosses Thema

Und was verbessert sich für die Werbeauftraggeber? Laut Bossecker mache man sich noch nicht so viele Gedanken darüber, wie man die Daten verwerten und welche neuen Angebote man dem Werbemarkt machen könne.

Die Cookie-Thematik sei für den Werbemarkt ein grosses Thema, ergänzt Rademacher. Vor ein paar Tagen habe Firefox mit der neuen Version seine Einstellungen verändert. Dadurch seien in Deutschland die Programmatic-Umsätze offenbar um 15% zurückgegangen. Wenn also nur ein einziger Browser eine kleine Veränderung vornehme, breche bereits Panik aus.

Somit stehe die ganze Branche vor der Frage, wie man mit dem Bedeutungsverlust der Third-Party-Cookies umgehe. Ein zweites Thema sei, dass man dadurch, dass die Leute so viele Endgeräte hätten, gar nicht erkennen könne, wann ein User mit unterschiedlichen Geräten auf die gleiche Website zugreife.

Duch das Login lässt sich die Häufigkeit der Werbeeinblendungen regulieren

Ein Login ermögliche es aber zu erkennen, wenn die gleiche Person in der Früh via Smartphone, tagsüber via Desktop und abends via Tablet auf eine Newsseite zugreife, ergänzt Rademacher. Dies ermögliche es ihnen, durch den sogenannten Frequency Cap (dt. Deckelung der Frequenz) die Häufigkeit der Werbeeinblendungen zu regulieren. Sie könnten damit sicherstellen, dass eine Werbebotschaft einem Nutzer beispielsweise nur fünf Mal zugespielt werde. So werde verhindert, dass ein Nutzer mit ein- und derselben Werbebotschaft bombardiert werde.

Das ganze Interview lesen Sie hier.